Aktuelles Haltern am See
11. November 2024 Bei gleich mehreren Veranstaltungen hat die Seestadt am Samstag Solidarität mit den Opfern des 9. November 1938 gezeigt und die Erinnerungskultur gepflegt. Allein über 50 Menschen nahmen am Gedenkspaziergang mit Bürgermeister Andreas Stegemann und Stadtarchivar Gregor Husmann teil. Wanderausstellung „We, the six million“ gibt noch bis zum 06. Dezember Einblicke in jüdisches Leben.
„Es sendet ein wichtiges Zeichen, dass Sie heute hier sind“, betonte Bürgermeister Andreas Stegemann zu Eröffnung des Spaziergangs. Gregor Husmann machte auf die erschreckende Aktualität des Gedenkens aufmerksam und verwies auf die gewaltsamen Ausschreitungen am Donnerstagabend beim Fußballspiel des niederländischen Clubs Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv, bei dem propalästinensische Täter Jagd auf Juden gemacht haben. „Da gefriert einem das Blut in den Adern. Hört das denn nie auf?“, fragte Halterns Stadtarchivar, der durch seine Recherchen über das jüdische Leben in Haltern enge Bindungen zu einigen jüdischen Familien aufgebaut hat und von den aktuellen Geschehnissen sichtlich ergriffen war.
Während des Spaziergangs führte Gregor Husmann entlang der Stolpersteine und Gedenkstätten und machte deutlich, dass die jüdischen Familien viele Spuren in Haltern am See hinterlassen haben: „Die Menschen sagen uns etwas durch das Leben, das sie hier gelebt haben.“ Die Dimension von dem, was damals geschehen ist, sei bis heute unbegreiflich: „Es verschwanden Menschen direkt aus unserer Mitte. Wir müssen uns klar machen, dass es nur wenige Juden gab, die nicht betroffen waren.“ Bei seiner Recherche habe ihn vor allem bewegt, wie oft sich Gelegenheiten für die Familien ergeben haben, ins Ausland zu gehen und sie sich aus unterschiedlichen Gründen dagegen entschieden. So auch die Familie Lebenstein, die in Haltern am See zu den bekanntesten jüdischen Familien gehört. „1937 bekam Nathan Lebenstein das Angebot, eine Wurstfabrik in Amerika zu eröffnen. Ein Jahr später gingen seine Töchter mit der Kinderverschickung nach England und der Rest der Familie hätte mitgehen können“, führte Husmann aus: „Da fragt man sich, was wäre gewesen, wenn?“ Die Anwesenden bei dem Gedenkspaziergang waren von den Ausführungen des Stadtarchivars bewegt und bedankten sich bei ihm für die ausführlichen Schilderungen.
Wer nicht bei dem Spaziergang dabei sein konnte, sich aber trotzdem für jüdisches Leben in Deutschland interessiert, der kann noch bis zum 06. Dezember die Wanderausstellung „We, the six million“ im Alten Rathaus besuchen. Sie wurde Samstag von Bürgermeister Andreas Stegemann gemeinsam mit seiner zweiten stellvertretenden Bürgermeisterin Ulrike Doebler eröffnet und ist nun zu den regulären Öffnungszeiten des Alten Rathauses frei zugänglich.
Die Reichspogromnacht bildet den historischen Orientierungspunkt der Ausstellung, die sich mit dem jüdischen Leben vor und nach der von den Nationalsozialisten geplanten und durchgeführten Verfolgung und Vernichtung beschäftigt. Ziel ist es, das persönliche Leben der Opfer zu würdigen, ihre Lebensleistung zu erläutern und zu zeigen, wie sie von ihrer Zeit geprägt wurden.